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Entwicklung des Berufsbilds

Erst seit den 1990er Jahren ist das Gebärdensprachdolmetschen in Deutschland als eigenständiger Ausbildungsberuf etabliert. Zuvor übernahmen häufig Familienangehörige oder Bekannte diese Aufgabe – meist ohne formale Qualifikation. Heute sind professionelle Dolmetscher*innen mit Hochschulausbildung ein zentraler Bestandteil barrierefreier Kommunikation

Von der Alltagshilfe zum anerkannten Beruf

Dass das Gebärdensprachdolmetschen als Ausbildungsberuf erlernt werden kann, ist erst seit Anfang der 90er Jahre in Deutschland möglich. Bis dahin haben häufig Familienmitglieder (z. B. hörende Kinder gehörloser Eltern, hörende Mütter gehörloser Kinder), Freunde, Arbeitskolleg*innen oder andere Hörende und auch Hörgeschädigte als “Dolmetscher*in” fungiert, die mehr oder weniger gut die Gebärdensprache beherrschten und in Notsituationen so die Belange der Gehörlosen vertraten. Dabei wurde meistens nicht ausschließlich von einer Sprache in eine andere übersetzt, sondern es wurden gleichzeitig auch sozialarbeiterische und helfende Funktionen ausgeübt.

Abgesehen davon, dass das professionelle Dolmetschen bestimmte Techniken und Fertigkeiten erfordert und die alleinige Kenntnis einer anderen Sprache nicht ausreichend ist, besteht die Gefahr, dass es zu Interessenkonflikten kommen kann, die einer angemessenen Verdolmetschung im Wege stehen. So befinden sich z. B. Arbeitskolleg*innen, die unfreiwillig zum “Dolmetschen” für Arbeitsbesprechungen herangezogen werden, in einer Doppelrolle: Sie sind gleichzeitig Dolmetscher*in und Teilnehmer*in. Das eigene Interesse und die Einstellung gegenüber der gehörlosen Person können sich dabei durchaus problematisch auswirken.

Da “Dolmetscher” bzw. “Dolmetscherin” keine geschützte Berufsbezeichnung ist, besteht leider nach wie vor die Situation, dass jeder, der mehr oder weniger die Gebärdensprache gelernt hat, sich so nennen kann. Ein Bewusstsein, dass zum professionellen Dolmetschen eine mehrjährige Ausbildung auf Hochschulniveau erforderlich ist, ist sowohl bei vielen als Dolmetscher*in tätigen Personen als auch gehörlosen und hörenden Nutzer*innen von Dolmetschleistungen und Kostenträgern nicht vorhanden. Somit ist trotz Einsatz von Dolmetscher*innen eine gleichberechtigte Situation zwischen Hörenden und Gehörlosen oftmals nicht gegeben. Die Benachteiligung, die durch den Einsatz von Dolmetscher*innen aufgehoben werden soll, bleibt dann weiter bestehen.

Da es mittlerweile verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten für Gebärdensprachdolmetscher*innen gibt, steigt die Zahl der qualifizierten Dolmetscher*innen jährlich an.

Literatur

(1) Grbić, Nadja (1998): “Professionalisierung – Ein soziologisches Modell und ein Beispiel aus der Praxis des Gebärdensprachdolmetschens in Österreich”. In: Das Zeichen 46, S. 612-623.